Ein Zwischenruf aus dem östlichen Mecklenburg-Vorpommern zum Stand der Koalitionsverhandlungen / Von IHK Präsident Wolfgang Blank
„Sparkurs fortsetzen, Regionen fördern, Bürger hören“, so zitieren Medien den aktuellen Stand der Koalitionsverhandlungen in Schwerin. Die Koalitionspartner berufen sich auf die gute Wirtschaftslage mit wachsendem Bruttoinlandsprodukt, einstelligen Arbeitslosenzahlen und bemerkenswerten Ansiedlungen. Sie verkennen jedoch die Sorgenfalten, die sich in vielen Unternehmen gerade im östlichen MV breit machen: Fachkräftemangel, demografische Entwicklung, Eintrübung des Exports, zunehmende Bürokratisierung, Euroskepsis und schließlich die vielfach ungeklärte Nachfolge.
Sollte sich die konjunkturelle Lage ändern, kann sich dieser Mix rasch zu einer gefährlichen, schwer zu beherrschenden Talfahrt ausweiten. Weiter so hilft nicht. Einen Staatssekretär für strukturschwache Regionen einzusetzen, zeigt eine komplett falsche Wahrnehmung der Herausforderungen, vor denen die Unternehmer mit ihren Mitarbeitern stehen. Die Wirtschaft benötigt neue und andere Impulse:
– Keine Unisex-Formate für’s ganze Land: Landespolitik sollte mit Wirtschaft und Regionen differenzierte Leitbilder formulieren. Wirtschaftsräume um Schwerin, Wismar, Rostock sind nur bedingt mit dem dünn besiedelten Osten zu vergleichen. Wer wegen rein quantitativer Betrachtung glaubt, dass nur in Großräumen Leuchttürme genügend Strahlkraft entfalten, der übersieht, dass in der global-digitalen Welt vielfach Hotspots abseits von Magistralen entstehen.
– Mehr Region, weniger Schwerin: Je mehr ein Staat die Fläche preisgibt, desto mehr überlässt er sie Kräften, die die Demokratie abschaffen wollen. Der scheinbare kurzfristige Kosteneffekt bringt mittel- und langfristig höhere Kosten, um Vertrauen bei den Menschen wieder zu gewinnen. Kreisgebiets- und Justizreform haben bislang keine nachweisbaren Effekte gezeigt.
– Schwerpunkt Jugend in allen Bereichen: Die Investitionen in Hochschul- und Forschungsinfrastruktur und Köpfe haben es vorgemacht. Ein Schwerpunkt der Bildungspolitik muss für Jugendliche sein, auch die, die ihre Zukunft nicht im akademischen Bereich sehen.
Im ländlichen Raum sind massiv Fächer an Berufsschulstandorten reduziert worden. Grotesk: IT-Auszubildende fahren wegen mangelnder Klassengröße in etwa Hundert Kilometer entfernte Schulen. Im digitalen Zeitalter muss es möglich sein, Mindestklassengrößen anders zu definieren und flexible Ausbildungskonzepte zum Beispiel durch virtuellen Unterricht anzubieten.
– Mehr Startups statt Staatssekretäre: Wir benötigen Wachstum aus eigener Kraft. Startup-Förderung in allen Bereichen muss ein Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik werden. Berlin, München und andere Zentren machen es vor. Gute Instrumente dürfen wegen fördertechnischer Bedenken nicht für jede Fördermittelperiode neu erfunden werden. Wirtschaftsförderung benötigt mehr Geschwindigkeit, mehr Risikobereitschaft und weniger Bürokratie.
– Wir müssen es selbst in die Hand nehmen: Abgehängt, vernachlässigt, benachteiligt. Das hört man oft im östlichen MV. Können wir nicht stolzer auf unsere Erfolge sein, ohne Probleme zu schönen? Stolz, morgens in Schwerin einen Termin wahrzunehmen, mittags ein Arbeitsgespräch in Rostock und abends in Neubrandenburg die Vollversammlung der IHK. Eine Herausforderung für etliche Ministerialbeamte. Stolz auf viele wirtschaftliche hidden champions, die national und international für Aufsehen sorgen. Stolz auf die erreichten Leistungen der gesamten Bevölkerung.
Das positive Image müssen wir uns selbst aufbauen. Das Potenzial dafür ist da: mit 1,2 Millionen Menschen in der Metropolregion Szczecin liegt ein Schatz vor der Haustür, der zu heben ist. Werte Koalitionäre, dafür benötigen wir geeignete Instrumente.
Zur Person:
Wolfgang Blank ist Geschäftsführer der WITENO GmbH (Wissenschafts + Technologiepark Nord°Ost°). Er ist seit Mai 2014 Präsident der IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern.