Pastor in Pension mit riesigem Theaterfundus. Verleih an Schauspieler, Karnevalisten und Partygänger
„Kleider machen Leute“ – den Titel von Gottfried Kellers berühmter Novelle hat sich Pastor Markus Lehmann für sein Unternehmen „Fundus“ auf die Fahnen geschrieben. Geschätzt 8000 bis 10 000 ausrangierte Theaterkostüme samt passenden Accessoires wie Hut, Stock und Gesangbuch, Perücke, Schmuck und Schuhen bewahrt der pensionierte Kirchenmann seit 2005 im über zweihundert Jahre alten Gutshaus Meierstorf südlich von Parchim auf.
Zur Kleiderkammer klettert der Besucher unters Dach des Herrenhauses von 1795. Der gut sortierte Theaterfundus erstreckt sich über einige hundert Quadratmeter auf zwei Stockwerken. An zusammen gut hundert Metern Kleiderstangen können Schauspieler, Karnevalisten oder Partygänger originalgetreue Outfits vom Altertum, übers Mittelalter bis in die 1970er-Jahre durchstöbern. Da findet sich die schlichte römische Tunika wie die üppige barocke Ballrobe, das mittelalterliche Edelgewand neben robuster Uniform, verspieltem Tanzkleid und würdevollem Talar.
Der Meierstorfer Kostümschatz hat eine bühnenreife Geschichte. Er geht auf die Anfang der 1990er-Jahre in Konkurs gegangenen Hamburger Kammerspiele zurück. Damals war der studierte Theologe und Psychologe Lehmann Pastor in der Bugenhagenkirche Hamburg-Barmbek. Fast 20 Jahre, von 1985 bis 2003, leitete er eine Kirchen-Theatergruppe und stand selbst auch als Laie oft auf der Bühne.
Lehmann ersteigerte 1992 beinahe den kompletten Fundus des Pleite-Theaters. Er wollte mit den Kleidungsstücken nicht nur seine kirchlichen Aufführungen ausstatten. Vor allem wollte der kunst besessene Pfarrer die Sammlung in ihrer Gesamtheit retten, in dem sakralen Bauwerk entstand ein Kostümverleih. Als 2004 das Barmbeker Gotteshaus geschlossen wurde, zog Lehmann mit seinem inzwischen gewachsenen Fundus nach Mecklenburg.
Der Deutsche Bühnenverein, Bundesverband der Theater und Orchester, kennt solch einen privaten Theaterfundus kein zweites Mal, wie eine Sprecherin erklärt. Für jedes Theater, ob klein oder groß, sei die Kostümsammlung eigentlich das Herzstück, das es zu hegen und zu pflegen gilt. Aus Kostengründen würden die Stücke für neue Inszenierungen immer wieder umgearbeitet, Recycling sei die Devise für jeden Fundus. Gern würden Theater auch Kostümspenden annehmen, aber nur im äußersten Notfall ihren Kleiderschatz verkaufen.
Um seinen wertvollen Fundus, in dem es sogar noch einige historische Exemplare oder originale afrikanische Häuptlingsgewänder gibt, zu bewahren, setzt sich der 69-jährige Lehmann oft selbst an die Nähmaschine. Er repariert, bessert aus oder näht nach Kundenwünschen neue textile Träume. „Mein Fundus lebt, die Kostüme sollen weiterarbeiten“, sagt er. Richtig erlernt habe er das Schneidern erst nach seiner Pensionierung. Ungezählte Stunden verbringt der „Theater-Pastor“ – so Lehmanns Spitzname – zwischen seinen schrillen Fummeln in allen möglichen Formen und Farben.