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Hélène Grimaud Klassische Musik und Wölfe

Von Christoph Forsthoff | 15.07.2016, 12:00 Uhr

Die Pianistin Hélène Grimaud ist in der kommenden Woche zweimal bei den Festspielen MV zu erleben

Ernst wirkt Hélène Grimaud. Ernst und gedankenschwer auch ihre Worte, kaum einmal ein Satz, der nur aus dem Bauch kommt. Fast irritiert es da schon, wenn die bildhübsche Französin mitten im Gespräch plötzlich auflacht: Ja, manchmal fühle sie sich schon wie eine 70-Jährige, nimmt die Pianistin kokettierend die Frage auf, ob ihre „Reflektionen“, denen sie vor einigen Jahren ein ganzes Programm widmete, nicht eher als Rückblick am Ende eines Künstlerlebens getaugt hätten. Doch ebenso rasch fällt die 46-Jährige dann auch wieder in ihren ernsten Tonfall zurück, erzählt von ihrem damaligen Wunsch, schon auf halber Lebensstrecke eine Rückschau auf die bisherige Karriere vorzunehmen. Um dabei nämlich zur „tiefgreifendsten Möglichkeit der Erkenntnis“ zu gelangen: der Liebe.

„Ich will, dass du bist“ – das seien doch schon die Worte der Liebe gewesen, wie sie Johannes Brahms, Clara und Robert Schumann einst füreinander gefunden hätten.

Klingt ziemlich durchgeistigt. Und doch ist wohl kaum eine Künstlerin erdverbundener als Grimaud. Denn mag die Schöne mit den klaren, strahlend blauen Augen auf dem Klavier auch die Romantiker bevorzugen – bei ihren Auftritten bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern mit dem Australian Youth Orchestra unter Manfred Honeck widmet sie sich den Konzerten von Brahms und Ravel – so gilt ihr persönliches Engagement doch der rauen Natur, ihre große Liebe den Wölfen.

Nahe New York hat die Musikerin mit ihrem Geld eine Art Reservat für die Rudeltiere geschaffen, informiert Schulklassen über die Spezies und setzt sich für deren Wiedereinbürgerung in verschiedenen Regionen der USA und Kanadas ein. Und nachdem vor einigen Jahren ihr autobiografisches Buch „Wolfssonate“ erschien, ist die Ausnahmepianistin für die Medienwelt ohnehin nur noch „Die mit den Wölfen tanzt“. Deren „Pranke“ auf den Tasten „wild“ und „atemlos“ zuschlägt.

Ob sie diese Reduktion stört, die immer gleichen Fragen nach ihren Erlebnissen im Zusammenleben mit den Wölfen, für die sie immer mal wieder einige Monate dem Konzertbetrieb entsagt hat? Hélène Grimaud schüttelt das ungebändigte dunkle Haar. Nein, es gehe darum, das Bewusstsein der Menschen für ihre Umwelt und die Wölfe zu schärfen – und die Erfolge machten sie glücklich. „Junge Erwachsene, die einst als Teenager zu uns kamen, haben inzwischen einen Beruf gewählt, der mit unserer Arbeit zu tun hat: Anstatt Investment-Banker zu werden – natürlich ist nichts falsch daran Investment-Banker zu werden – arbeiten sie heute als Anwalt im Umweltrecht.“

Ja, selbst wenn es nur ein einziger Mensch wäre, dessen Bewusstsein durch seinen Besuch im Wolf Conservation Center geschärft worden sei, so wäre es die Arbeit doch wert gewesen. Idealismus? Oder doch eher Pragmatismus?

Im Grunde ist Hélène Grimaud nämlich eine Künstlerin, die weder auf den Tasten aus ihrem tiefromantischen Herzen eine sportive Mördergrube macht, noch den Blick für die Realität jenseits des Konzertsaals scheut. Und so liegt für die Pianistin denn auch die Brücke von ihrem Engagement für die Wölfe und die Umwelt zur Klassik nahe: „Das ist wie in der Musik, wo Erziehung auch lebensnotwendig ist“ – wie dies dann geschehe, sei letztlich gleich. „Doch führen wir Kinder und Jugendliche nicht an die Klassik heran, hat langfristig auch diese keine Überlebenschance.“