Angeklagter gesteht vor dem Landgericht Schwerin Messerattacke
Es begann auf Facebook als ein Streit zwischen Unbekannten über eine simple Rechenaufgabe. Es endete am helllichten Tage mit einer Messerattacke auf einem Gehweg in Wismar, durch den ein junger Mann seine Niere verlor. Seit gestern muss sich der Angreifer vor dem Landgericht Schwerin verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag vor.
Im Gerichtssaal saßen sie sich zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Der 29 Jahre alte Maler hatte auf der Anklagebank Platz genommen, nachdem die Wachmänner die Fußfesseln entfernt hatten. Von der anderen Seite des Saales blickte als Nebenkläger selbstbewusst der große, hagere 19-Jährige herüber, der die Messerattacke am 13. April dieses Jahres nur dank schneller medizinischer Hilfe überlebt hatte.
Der Streit hatte zwei Tage zuvor im Internet begonnen. Der Maler sah auf der für jedermann zugänglichen Facebook-Seite des ihm bis dahin völlig unbekannten 19-Jährigen eine gepostete Rechenaufgabe. „Die Hälfte meiner Zahl ist die Hälfte von 400“ lautete der Satz, über dessen richtige Lösung sich die beiden in die Wolle bekamen. Der Angeklagte setzte auch böswillige Kommentare unter andere Facebook-Einträge seines späteren Opfers. Die beiden wechselten offenbar nicht nur Beleidigungen. Der Angeklagte drohte seinem späteren Opfer, ihn „abzustechen“.
Kurze Zeit später erkannte der Angeklagte den 19-Jährigen anhand dessen Profil-bild auf Facebook, als dieser ihm auf einem Gehweg in Wismar entgegenkam. Quasi im Vorbeigehen zückte er ein Messer und stach dem Jugendlichen unvermittelt in den Bauch. Als der Junge weglaufen wollte, versetzte er ihm einen zweiten „wuchtigen Stich“ in den Rücken und ging weiter.
Vor Gericht will der Maler nichts sagen. Gegenüber den Ermittlern hat er die Tat allerdings teilweise eingeräumt. Aus der Untersuchungshaft schrieb er, er habe den 19-Jährigen keinesfalls töten wollen. Er wollte ihm nur „eine Abreibung“ verpassen und höchstens etwas „ritzen“, als er ihn durch „puren Zufall“ traf und erkannte. Das Messer hat er angeblich immer in seiner Gürteltasche, da er es ständig braucht, um Apfelsinen zu pellen. An den zweiten Stich in den Rücken will sich der Angeklagte hingegen nicht so recht erinnern.
Der 19-Jährige sagte am Rande des Prozesses, er habe den Angreifer erst nach dem ersten Stich in den Bauch erkannt. „Ich dachte, das ist doch der Typ von Facebook.“ Bis dahin wusste er nicht einmal, dass der Mann ebenfalls in Wismar wohnt.
Der Vorsitzende Richter hofft, dass durch den Prozess nicht nur die Details der Attacke aufklärt werden: „Ich erhoffe mir auch eine nachvollziehbare Erklärung, warum sie geschah.“ Die Lösung der Rechenaufgabe lautet übrigens „400“. Der 19-jährige, der gerade seinen Hauptschulabschluss nachholt, hatte sie richtig gelöst. Um auf das Ergebnis „100“ zu kommen, hätte der Satz zum Beispiel lauten müssen: „Meine Zahl ist die Hälfte von der Hälfte von 400.“
