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Schwerin: Premiere „Kein Hüsung" Ein grandioser Theaterabend

Von Helmut Schultz | 28.11.2016, 12:00 Uhr

Jubiläumspremiere der Fritz-Reuter-Bühne mit ganz großer „Kein Hüsung“-Inszenierung

„…Du büst doch min Best! Du büst min leiw ,Kein Hüsung'.“ So schrieb Fritz Reuter 1864 in einem Brief über sein Versepos um das tragische Geschick des jungen Tagelöhnerpaares Marik und Jehann, das bis zum Lebensende sein literarisches Lieblingskind bleiben sollte. Die unerträgliche soziale Lage der mecklenburgischen Tagelöhner, deren Rechtlosigkeit, hatten ihn schon immer empört. Mit „Kein Hüsung“ hat er dieses Thema zum literarischen Ereignis gemacht.

Und so hätte die Schweriner Fritz-Reuter-Bühne keine bessere Wahl treffen können als dieses „Kein Hüsung“, um das Jubiläum ihres 90-jährigen Bestehens und zugleich ihren Namensgeber zu feiern.

Eine schöne, aber auch höchst anspruchsvolle Aufgabe, die das Ensemble unter der Regie von Bernd Reiner Krieger glänzend löste.

Von der stringenten Textfassung über die präzise Ins-zenierung und die darstelle-rischen Leistungen bis hin zu dem Vergangenheit und Gegenwart verschränkenden Bühnenbild (Michael Goden) und den Kostümen (Giselher Pilz), von den leisen, dem reuterschen Sprachrhythmus folgenden Videoprojektionen (Katharina Spuida-Jabbouti) bis zur Musik des estnischen Komponisten Arvo Pärt – da war alles rund und schlüssig.

Das Ensemble fabelhaft. Zuvorderst Andreas Auer. Als Erzähler mehr als zwei Stunden dauerpräsent auf der Bühne, zelebrierte Auer in seinem vorzüglichen Platt einen Reuter vom allerfeinsten. Die Idee von Regisseur Krieger, ihn als den gealterten Jehann die eigene Geschichte mit großer emotionaler Anteilnahme erzählen zu lassen, hat getragen.

Stefanie Fromm als Marik spielt die Zerstörung dieser jungen Frau sehr eindrucksvoll. Sie trägt – der kleinen Welt ihres Dorfes verhaftet – Unsicherheit, den Tod des Vaters, die Flucht Jehanns, Ausgrenzung und Schande. Stefanie Fromms Spiel macht diese sich von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag steigernde Verzweiflung bis hin zu Wahnsinn und Tod sichtbar. Jens Tramsen ist als Jehann liebevoll, aber auch aufbrausend, ungeduldig. Man spürt und versteht den durch die dauernden Demütigungen und die Ungerechtigkeit wachsenden Groll in ihm, den immer stärker werdenden Hass auf die reichen Herren, die seine Liebste und seine Liebe zerstören. Selbst bei der Bluttat bleibt man auf seiner Seite. Das aber nicht zuletzt durch die Darstellung des „Herrn“ durch Christoph Reiche. Der spielt diesen Mann so bösartig und widerlich, dass man versucht ist zu fragen, worüm nich ihrer? Eine tolle Leistung auch der Oll Daniel von Klaus Engeroff, völlig glaubhaft in seiner Resignation, seiner Hoffnung auf göttliche Rache für erlittenes Unrecht, aber auch in kleinen Resten von „Grull“ gegenüber der Obrigkeit, die manchmal aufblitzen. Oll Daniel bleibt im Gedächtnis.

Rudolf Korf setzt einen emotionalen Akzent als Oll Brand in der Sterbeszene von Mariks Vater. Für ihn war es eine Rückkehr an die alte Wirkungs-
stätte, wo er schon zweimal bei „kein Hüsung“ dabei war: in den Siebzigern als Jehann, in den Neunzigern als Oll Daniel.

Genannt werden sollen auch Kerstin Westphal als freundliche Nachbarin und Gerd A. Wessels als dienstbeflissener Inspektor Brümmer.

Die Premiere am Freitag war ein großer, ein ganz großer Theaterabend. Ich habe selten ein so gebanntes, fast andächtiges Publikum bei einer solchen Premiere erlebt. Und es gab den verdienten lang anhaltenden Schlussapplaus. Dieses „Kein Hüsung“ ist einen Besuch wert.

Also hengahn, hengahn, hengahn!

Mehr Informationen:

Info

Weitere Vorstellungen im E-Werk: am 3., 8., und 29. Dezember sowie 5. und 11.Januar, jeweils 19.30 Uhr, und am 15. und 22. Januar, 18 Uhr