Digitalisierte Medizin: Unimedizin Rostock übernimmt Vorreiterrolle. Experten der Gesundheitsbranche tagen in Hohe Düne
Vor fünf Jahren änderte sich Patricia Pohls Leben schlagartig. Sie hatte gerade Feierabend gemacht, war mit dem Motorrad auf dem Weg nach Hause, als sie frontal mit einem Auto zusammenstieß. „Am 24. August habe ich mein linkes Bein verloren. Ostern durfte ich nach Hause“, erzählt die 22-Jährige. „Der Unfall hat mich schlagartig erwachsen werden lassen.“ Patricia Pohl bekam eine Prothese, Kategorie Hightech. Dank der Digitalisierung kann sie heute ein weitgehend normales Leben führen. „Vor drei Jahren habe ich mir sogar ein Pferd zugelegt.“
Im Kongresszentrum der Yachthafenresidenz Hohe Düne wurde gestern die 13. Branchenkonferenz der Gesundheitswirtschaft eröffnet – und auf der ging es nur um ein Thema: um Mensch und Markt in der digitalen Welt. „Im deutschen Gesundheitswesen ist das Faxgerät immer noch das gängigste Kommunikationsmittel“, sagt Dr. Stefan Schaller, Leiter von Siemens Healthcare. Doch das könnte sich bald ändern: Im Kontext eines nationalen Pilotprojektes, im Zuge dessen eine regionale digitale Plattform mit Patientenakten aufgebaut werden soll, kooperiert der Dienstleister Siemens mit der Unimedizin Rostock. Auf diese Weise können alle Ärzte, die mit dem Patienten in Berührung kommen, alle Daten zu dem Patienten einsehen – von attestierten Allergien, über verschriebene Medikamente bis hin zu bisher durchgeführten Behandlungen. Das neue System, das im Herbst an den Start gehen soll, funktioniere wie ein zentrales Nervensystem und könne die etwa 80 alleine in der Uniklinik für die Patientenversorgung arbeitenden Datensysteme so verknüpfen, dass mit einem Aufruf alle notwendigen Daten und Unterlagen vorliegen. Doppelt- und Dreifachuntersuchungen oder Fehler bei der klassischen Übermittlung von Daten könnten auf diesem Weg vermieden und Kosten reduziert werden. „Der Patient kann die Zugriffsrechte kontrollieren und bestimmen, welche Krankheitsepisoden abgebildet werden und welche nicht. Die Zugriffe auf die Patientenakte werden protokolliert“, erklärt Schaller.
Deutschland dürfe im Bereich der digitalisierten Gesundheitswirtschaft nicht den Anschluss verlieren, betont Konferenzpräsident Prof. Marek Sygmunt, auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem daraus resultierenden Kostendruck auf die Medizin. Sygmunt stellt als herausragendes Beispiel Estland heraus, Partnerland der diesjährigen Branchenkonferenz. Dort könnten jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes mit der Ausnutzung von elektronischen Dienstleistungen im Gesundheitssystem eingespart werden. Deutschland würde von einer Welle internationalen Fortschritts überrollt. Doch Sygmunt ist sich sicher: Die Patienten werden die Mediziner in die richtige Richtung lenken.