
Autor und Slam Poet Pierre Jarawan über seinen Debütroman, seinen Auftritt heute in Schwerin und die Wahlen im Nordosten
Mit Pierre Jarawan, Autor des Buches „Am Ende bleiben die Zedern“, sprach Carolin Wilewski über Slam Poetry, seine Wurzeln und seinen Auftritt in Schwerin.
In Schwerin sind Sie als Autor zu Gast bei den Literaturtagen und lesen aus Ihrem Debüt „Am Ende bleiben die Zedern“. Was bedeutet dieses Buch für Sie?
Es war immer mein Traum, ein echter Schriftsteller zu werden. Schon als Kind habe ich gern gelesen und dachte: Das ist doch ein super Beruf, wenn man Geschichten erzählen, Bücher schreiben und davon leben kann. Der Roman war seit meinem 13. Lebensjahr das ganz große Ziel. Ich habe endlich das Gefühl, angekommen zu sein – die Erfüllung eines Kindheitstraumes.
Sie sind in Jordanien geboren, Ihr Vater ist Libanese, Ihre Eltern flohen vor dem Bürgerkrieg. Wie viel Pierre steckt in Ihrem Protagonisten Samir, inwieweit ist das Buch autobiografisch?
Die Handlung, die Figuren und das, was sie erleben, sind fiktiv. Aber ich erzähle aus einer erlebten Welt heraus. Das Buch ist voller stimmungsvoller Details, die ich kenne. Ich beschreibe zum Beispiel, wie in einem Viertel alle Satellitenschüsseln in eine Richtung zeigen, um arabisches Fernsehen zu empfangen – das ist einfach ein Bild meiner Kindheit. Deshalb bleibt die Stadt, in der Samir aufwächst, im Roman auch namenlos, weil ich sicher bin, dass es dieses Viertel in jeder Stadt gibt.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Land Ihres Vaters?
Immer, wenn wir in den Ferien im Libanon waren, dachte ich: ,Oh ist das schön hier, hier könnte ich auch leben.’ Verwandte stopfen einen mit Süßigkeiten voll, es scheint immer die Sonne – das Paradies! Später war mir dann klar, dass es kein Land ist, das lebenswert ist. Wo fühlst du dich denn mehr zu Hause? Die Frage habe ich nie verstanden. Mir war klar, wenn ich in Deutschland bin, bin ich hier zu Hause. Wenn ich Verwandte besuche, bin ich im Libanon zu Hause. Für mich war das nie ein Konflikt, dass man nicht zwei Zuhause haben kann. Ich bin froh, in Deutschland eine Heimat zu haben, in der sich meine Träume erfüllt haben und ich Sicherheit genieße. Der Libanon ist Heimat, weil er mich kulturell so geprägt hat, dass ich der werden konnte, der ich heute bin.
Was ist das Besondere, das Faszinierende am Libanon?
Es ist vor Schönheit kaum auszuhalten – die Zedernwälder, dann die wunderschöne Stadt Beirut... Gleichzeitig hat es ein unglaublich hässliches Gesicht: Der Libanon symbolisiert die gesamte Tragik des Nahen Ostens. Dort spielt sich im Kleinen alles ab, was wir in den anderen Ländern sehen. Es gibt es keine Staatsreligion, sondern 18 gleichberechtigte Religionen. Eigentlich könnte das Land ein Musterbeispiel, sein, wie das Miteinander im Nahen Osten funktionieren könnte, doch das ist es leider nicht.
Was sind Ihre ersten Erinnerungen an Ihr Leben in Deutschland? Gab es eine Begebenheit, an die Sie sich bis heute erinnern; die Sie geprägt hat?
Ich war immer sehr, sehr stolz darauf, dass ich etwas Exotisches hatte. Auf dem Gymnasium war ich der Einzige mit einem libanesischen Hintergrund. Während die Anderen in der Pause ihr Knäckebrot auspackten, aß ich mein Fladenbrot. Mit 16 Jahren war ich natürlich auch der Einzige, der eine Wasserpfeife zu Hause hatte. Auf solche Sachen waren einige neidisch (lacht).
Sie machten keine negativen Erfahrungen? Half es, dass Ihre Mutter Deutsche war?
Auf jeden Fall. Nein, ich hatte keine negativen Erlebnisse. In Bekanntenkreisen gab es die andere Konstellation, dass beide aus dem Libanon kamen. Die Eltern redeten dann nur über das Land, sprachen libanesisch, guckten libanesisches Fernsehen. Ich kenne einige, die sprechen nach 30 Jahren kaum Deutsch. Sie verklären ihre Heimat.
Warum?
Das ist ein menschlicher Prozess. Die Menschen dieser ersten Einwanderer-Generation leben ihr halbes Leben in einem Land, das sie verlassen mussten, die andere Hälfte müssen sie sich in einem neuen Land einleben. Wenn wir woanders hingingen, könnten wir Deutschland auch nicht komplett ablegen. Wir würden beispielsweise die Wahlen verfolgen und mitfiebern, wer Bundeskanzler wird.
Ihre Erfahrungen schildern Sie auch in der Lesung heute in Schwerin. Waren Sie schon einmal hier?
Ich war noch nie in Schwerin, ich freue mich total! Ich bin sehr gern im Norden.
Haben Sie die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern verfolgt? Wie erklären Sie sich solche Ergebnisse?
Wir tun so, als wäre das, was heute passiert, nie dagewesen, dabei gab es das schon immer. Was wir jetzt mit den Syrern erleben, haben wir in 1980er-Jahren mit Libanesen erlebt. Aber die jungen Leute waren noch nie mit einer so hohen Zahl an Flüchtlingen konfrontiert. Das ist prägend für meine Generation, dieser Gedanke: ,Ich hatte noch nie das Gefühl, dass es so schlecht um die Welt steht wie heute.‘ Zwar haben wir am 11. September 2001 gemerkt, dass das die Welt verändern wird, aber eher auf weltpolitischer Ebene. Nun sind wir aber unmittelbar betroffen, sehen es tagtäglich auf der Straße – das verunsichert viele Leute.
Und dann werden rechtspopulistische Parteien wie die AfD gewählt...
Das ist in allen Ländern zu beobachten, in denen es einen Rechtsruck gibt. Die Populisten spielen mit den Ängsten – Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wer sich von dieser Angstmacherei anstecken lässt, wählt diese Parteien. Aber es sind nicht nur junge Leute, es sind erstaunlicherweise auch die Älteren, die denken, ihnen werde etwas weggenommen... Eine völlig irrationale Angst. Ich kann es nicht erklären. Das Klischee vom dummen Nazi, dem glatzköpfigen, ungebildeten Idioten, ist längst überholt. Die gebildete Mittelschicht wählt auch AfD. Erschreckend, wie schnell es ging – in den letzten Jahren wurden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit salonfähig.

Heute in Schwerin |
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Pierre Jarawan (Jahrgang 1985) wurde in Amman, Jordanien, geboren. Sein Vater ist Libanese, seine Mutter Deutsche. Mit drei Jahren kam er nach Deutschland, heute lebt er in München. 2012 wurde er Deutscher Meister im Slam Poetry. Sein Debütroman „Am Ende bleiben die Zedern“ erschien im März 2016. Heute um 19 Uhr tritt Jarawan in der Aula der Volkshochschule Schwerin auf. In der Lesung zeigt Jarawan auch Bilder von seinen Reisen aus dem Libanon, erklärt politische Zusammenhänge und beschreibt das Leben der zweiten Einwanderer-Generation. Anschließend gibt es ein Publikumsgespräch. Veranstalter sind die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und das Kulturbüro der Landeshauptstadt Schwerin. |
