Ein Angebot des medienhaus nord

Video: Landeserntedankfest Alle feiern, nur die Bauern nicht

Von Katja Müller | 03.10.2016, 21:00 Uhr

Auch wenn die Ernteerträge in diesem Jahr kein Grund zum Jubeln waren, wurde das Landeserntedankfest am Wochenende ein echter Höhepunkt

365 Tage Vorbereitungen liegen hinter Jürgen Jaap. Am Festtag ist um 4.30 Uhr  für den  Cramonshagener die Nacht zu Ende. Zum Frühstück gibt es einen kleinen Kaffee und ein halbes Brötchen. Für mehr ist keine Zeit und aufgrund der Aufregung auch kein Platz im Bauch. 

Jürgen Jaap gehört zu den Mitorganisatoren des Landeserntedankfestes in Brüsewitz bei Schwerin. „Bürgermeister Manfred Dutz sagte damals zu mir: Jetzt haben wir es an der Backe“, erinnert sich Jaap. Gut erkennbar an einer leuchtend gelben Warnweste und seinem Strohhut flitzt er schon vor der offiziellen Eröffnung mehrere Kilometer durch den Ort. Für  den großen Festumzug hält er die Fäden in der Hand. 76 Bilder, mehr als 600 Teilnehmer.  Immer wieder muss er kurz nachfragen oder etwas klären. „Wird schon werden“, sagt der  73-Jährige und taucht   in der Menschenmenge ab.

Mehr als 20 000 Gäste säumen die Straßen in Brüsewitz. Jeder will einen guten  Blick auf den Festumzug erhaschen, die geschmückten Erntewagen bestaunen und auch etwas vom Bonbon-Regen ergattern. Wenngleich der Wettergott eher mäßig gelaunt ist und so manche graue Wolke über Brüsewitz dahinschwebt, sind die Gäste in bester Stimmung. Viel Applaus und bewundernde Pfiffe gibt es für jedes der 76 Bilder des Festumzugs. Auch auf der großen Wiese am Sportplatz ist die Stimmung ausgelassen: Es wird gelacht, geschunkelt, gesungen und gespielt. Mehr als 50  Stände laden zum Bummeln ein, Landesforst und -jagdverband präsentieren ihre Arbeit. Auch Schäfer und Spinnerinnen erklären ihr Handwerk.

Für die Bauern ist es in diesem Jahr  allerdings ein schmaler Grat zwischen Freud’ und Leid. Und seit Beginn der Milchmarktkrise vor zwei Jahren haben allein in MV 68 Betriebe aufgegeben, Die Ernte ist in diesem Jahr  mehr als bescheiden. Mit 67,5 Dezitonnen pro Hektar fällt der Ertrag der  Winterweizenernte  ein Viertel geringer aus als im Vorjahr. Beim Raps sind es mit 27,5 Dezitonnen pro Hektar sogar ein Drittel weniger als im vergangenen Jahr.  „Zudem sind die Preise im Keller.  Da wird es mit der Liquidität auf so manchem Hof eng“, erklärt Landwirtschaftsminister  Till Backhaus (SPD).  Sich ein Polster anzulegen, davon  könne gar nicht erst  die Rede sein. Die Folge: Gute Arbeitskräfte müssten entlassen oder in Kurzarbeit geschickt werden. „Heute wird aber nur noch jeder siebte Euro für Nahrungs- und Genussmittel ausgegeben. Wir müssen umdenken“, betont Backhaus und schiebt hinterher: „Jeder Griff in die Kühltheke ist eine Bestellung auf dem globalen Markt.“ Mit ein paar Euro mehr lasse sich die Landwirtschaft in der Region fördern.

Doch nach der Ernte sei vor der Ernte. So schaut nicht nur Landwirtschaftsminister Till Backhaus zuversichtlich in die Zukunft, sondern auch Bauernverbandspräsident Detlef Kurreck: „Es mussten viele Entscheidungen getroffen werden, die weh taten. Aber auch nach so einem schlechten Jahr ist die Landwirtschaft immer noch der schönste Beruf“, betonte er. Die Schlagzeilen über schlechte Zustände in Mastbetrieben  blieben nicht unerwähnt, er betonte aber: „Bauern sind Menschen und die machen auch mal Fehler. Wir müssen miteinander reden. Nur so können wir besser verstehen“, rief er die Leute auf, ihren Landwirt in der Nachbarschaft anzusprechen und auch den  Kindern zu erklären, wo das Essen herkommt.

Das Sonntag  vor Ort zu erledigen, war eher schlecht möglich. Nur wenige Bauern waren in Brüsewitz. Die meisten Vertreter der rund 5000 Landwirtschaftsbetriebe in MV blieben dem Fest fern. Manch einer hatte auf dem Feld zu tun, andere keinen Grund zum Feiern.

Den hatte zwar  Schäfer Rüdiger Schröder auch nicht, doch er wollte seine Zunft präsentieren. „Ich mache das nur noch im Nebenerwerb“, betont der Brüsewitzer. Wenn sich nicht bald etwas ändere, würde es seinen Mitstreitern, die Kühe und Schweine halten, bald genauso gehen. „Das kann nicht das erklärte Ziel sein“, so Schröder.

An diesem Tag stand jedoch das Feiern im Vordergrund. Das hat geklappt. Darüber freute sich Mit-Organisator Jürgen Jaap. Und der gönnte sich zur Belohnung eine Bratwurst und  verabschiedete  sich gegen 18 Uhr in  seine erste  Pause.  Im nächsten Jahr fährt er nach Siedenbollentin  (Landkreis  Mecklenburgische Seenplatte), denn dort findet das Landeserntedankfest 2017 statt.