Anders als am kommenden Dienstag war das Theater von 1919 bis 1933 sowie von 1946 bis 1949 jedoch kein kurzzeitiges Ausweichquartier, sondern ein dauerhaftes Provisorium
Zum zehnten Mal in der Geschichte tritt ein Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung in Schwerin im Konzertfoyer des Mecklenburgischen Staatstheaters zusammen. Anders als am kommenden Dienstag war das Theater von 1919 bis 1933 sowie von 1946 bis 1949 jedoch kein kurzzeitiges Ausweichquartier, sondern ein dauerhaftes Provisorium für rund 500 reguläre Landtagssitzungen.
Nur drei Monate nach der Abdankung der Monarchie kamen 64 Abgeordnete des Verfassungsgebenden Landtags des Freistaates Mecklenburg-Schwerin am 21. Februar 1919 im Konzertsaal des Theaters zusammen. Die Wände und Pulte waren reich mit Lorbeer, türkischem Flieder und rosa Hyazinthen geschmückt. An den 22 Dreier-Bänken, die wie in einer Schulklasse aufgestellt waren, saßen mitunter Parlamentarier unterschiedlicher Fraktionen. Das Präsidium tagte leicht erhöht an der östlichen Stirnwand. Neben dem Rednerpult hatte die Regierung je drei Plätze. Abgestimmt wurde nicht durch Handheben, sondern durch Aufstehen. Reporter und Zuschauer mussten über den viel zu hohen Rand der Galerie in den Saal hinunterschauen.
Die staatliche Bauverwaltung zeichnete eifrig Pläne, wie der Landtag im „Rittersaal“ des heutigen Finanzministeriums oder im Museum untergebracht werden könnte. Gegen einen Umzug ins Schloss wehrte sich unterdessen der Museumsdirektor vehement und erfolgreich. 1925 tauchten sogar Pläne für einen kompletten Landtagsneubau am Alten Garten in Schwerin auf. Aber auch sieben jeweils neu gewählte Landtage nach dem Verfassungsgebenden Landtag tagten bis zum 1. Februar 1933 im Staatstheater. Auf der letzten Sitzung setzte die NSDAP mit ihrer absoluten Mehrheit bereits durch, per Geschäftsordnung die Rechte der Minderheit zu beschneiden.
Die von den Nazis verordnete Selbstentmachtung des von ihnen verhassten Parlaments fand auf der ersten Sitzung des achten Landtags nicht mehr im Theater statt. Sie wurde am 1. Juni 1933 im heutigen Neustädtischen Palais vollzogen. Am 13. Oktober 1933 kam der Landtag – ohne die längst verfolgten Abgeordneten von SPD und KPD – ein letztes Mal in Rostock zusammen. Er brauchte sechs Minuten, um die Vereinigung von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz zu beschließen.
Erst 13 Jahre später kam erneut ein Landtag im Schweriner Theater zusammen. Alterspräsident Adolf Lüben (CDU) mahnte am 19. Noveber 1946 die 90 Abgeordneten in Erinnerung der parlamentarischen Stürme während der Weimarer Republik: „Möge von uns einmal gesagt werden, daß wir in Beschlüssen und Taten stärker gewesen sind, als in Reden.“ Mit großer Mehrheit wurde Carl Moltmann (SED) zum Landtagspräsidenten gewählt. Der ehemalige SPD-Mann aus Schwerin war einer von sieben Abgeordneten, die auch vor 1933 im Theater Politik gemacht hatten. Auf jeden Fall beließen die Abgeordneten es nicht beim Reden, wenn es um den Parlamentssitz ging. 1949 zog der Landtag in den neuen Plenarsaal im Schloss, wo er bis zur Auflösung der Länder durch das SED-Regime im Sommer 1952 blieb.