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Für mehr Qualität in der Pflege Wer braucht eine Pflegekammer?

Von Manfred Rey | 29.05.2017, 05:00 Uhr

Mit der Debatte über Qualität und Zukunft der Pflege in einer alternden Gesellschaft wächst der Ruf nach einer Kammer für Pflegeberufe

Im Gesundheitswesen gibt es sie für Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten, CDU und Grüne in Brandenburg wollen sie auch für Pflegekräfte: eine Kammer als Berufsvertretung. In der zweiten Jahreshälfte will das Sozialministerium dazu eine Informationskampagne für die rund 35 000 Beschäftigten in den etwa 1200 ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen starten. Dem solle sich eine Befragung anschließen, teilte das Ministerium mit. Dabei gehe es um einen „ergebnisoffenen Prozess“.

Ziel ist es, die Pflegekräfte über das Für und Wider, Aufgaben, Arbeitsweisen sowie Rechte und Pflichten einer solchen Interessenvertretung zu unterrichten. Die Erkenntnisse würden danach „im Hinblick auf die pflegepolitischen Herausforderungen und Ziele bewertet“, erklärte das Ministerium.

Für die Errichtung einer Pflegekammer im Land machen sich CDU und Grüne seit langem stark. Bereits im April 2015 forderte der Landtag eine Informationskampagne und Befragung der Pflegekräfte zur Errichtung einer Kammer. Zwei Jahre später argumentierten CDU und Grüne im Landtag erneut, eine solche Einrichtung könne die Attraktivität der Pflegeberufe erhöhen, Berufsinteressen besser vertreten und Qualitätsstandards setzen. Vertreter von Rot-Rot lehnten Pflegekammern zwar nicht ab, nannten die Bezahlung aber entscheidend. Solange in Berlin mehrere hundert Euro monatlich mehr gezahlt werde als in Brandenburg, halte die Abwanderung an.

Die erste Pflegekammer in Deutschland nahm am 1. Januar 2016 in Rheinland-Pfalz ihre Arbeit auf. In Berlin macht sich die bis 2016 mitregierende CDU für eine Pflegekammer stark. Doch die neue Koalition aus SPD, Linken und Grünen klammerte das Thema im Koalitionsvertrag aus. Mit einem Gesetzentwurf, den das Abgeordnetenhaus im März an die Ausschüsse überwies, wollen die Christdemokraten aus der Opposition heraus die Debatte neu entfachen.

Kammern gibt es in Deutschland in vielen Berufen und Branchen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts vertreten sie Berufsinteressen, sind Ansprechpartner bei Anhörungen etwa zu Gesetzen und formulieren Qualitätsstandards. Die öffentliche Debatte um die Zukunft der Pflege hat auch die Forderung nach einer besseren Interessenvertretung der Beschäftigten beflügelt.

Die Gegner argumentieren, Kammern seien nicht mehr zeitgemäß. Viele Aufgaben leisteten andere Einrichtungen, wie etwa Pflegeverbände und Gewerkschaften. Die Pflegeheime würden durch Landesministerien und Krankenkassen kontrolliert, die Weiterbildung sei in den Bundesländern durch Verordnungen geregelt.

Kritisiert werden auch die Beiträge der Kammermitglieder - in Rheinland-Pfalz zwischen 30 und 300 Euro pro Jahr. Die Gewerkschaft Verdi lehnt Pflegekammern ab. „Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Da macht es wenig Sinn, dass diese Aufgaben an die Beschäftigten delegiert werden“, sagt die für Brandenburg zuständige Verdi-Fachbereichsleiterin Meike Jäger. Die Pflegekräfte seien mit ihren Arbeitsbedingungen sehr unzufrieden und erhofften sich Lösungen. „Das aber kann eine Kammer gar nicht leisten“, so Jäger.

Die Arbeitgeber sehen die Pflegeprobleme vor allem im Arbeitskräftemangel. „Die Fachkräftesicherung ist auf anderen Wegen besser lösbar als durch Kammern“, betont der Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmerverbände Berlin und Brandenburg, Alexander Schirp. Kammern verursachten Doppelstrukturen und Kosten. „Für die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen ist eine starke Organisation in den Gewerkschaften wichtig.“ Eine Kammer könne da weniger helfen.

Der größte Brandenburger Wohlfahrtsverband, die Volkssolidarität, sieht Pflegekammern dagegen positiv. „Wir wünschen uns, dass die Pflege damit endlich eine Lobby bekommt“, sagt Verbandsvize Andreas Heil. Bislang habe die Pflege in den verschiedenen Gremien auf Bundesebene kein Mitspracherecht. „Über die Pflege entscheiden oftmals Leute, die davon keine Ahnung haben.“ Umstritten bei der Volkssolidarität ist Heil zufolge die Form der Mitgliedschaft. „Da sind wir geteilter Meinung, ob es eine Pflichtmitgliedschaft geben muss.“

 

TEASER-FOTO: Redaktion