Für Alla und Hartmut Moreike aus Ahrensfelde wird der Kurzurlaub von Berlin-Tegel nach Mailand zur Tortur.
Einmal Italien hin und zurück: Was sich als Ziel eines Kurzurlaubs einfach anhört, entwickelte sich für das Ehepaar Moreike aus Ahrensfelde (Barnim) zum nervenaufreibenden Abenteuer. Mittendrin: Deutschlands zweitgrößte, aber angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin.
Es sollte der Gardasee sein. Dieses Ziel hatten sich Alla und Hartmut Moreike ausgesucht – auch Mailand, Verona und Venedig, jene Städte, die Alla Moreike anlässlich ihres 67. Geburtstags mit ihrem Mann unbedingt besuchen will. Als sie mit dem Taxi am Flughafen Tegel vorfahren und den Flug AB 8732 mit der Startzeit 8.40 Uhr als planmäßig auf der Anzeigetafel entdecken, ahnen sie nicht, dass sie sogar noch den Abend in Berlin verbringen werden.
Ihr Flugzeug gen Mailand hebt erst 13 Stunden später ab – aus dem Start nach Plan wird zunächst eine Verspätung, aus der Verspätung ein annullierter Flug, der dem Ehepaar und anderen Passagieren mit Trockenpizza, Wasser und einem Verzehrgutschein von Air Berlin über zehn Euro versüßt wird. Dabei haben Alla und Hartmut Moreike zu Beginn des Abenteuers Mailand noch Hoffnung, dass sich die dunklen Wolken am Horizont verziehen. Sie sitzen schon in einem Airbus der italienischen Partner-Airline Alitalia, zwar nicht wie gewünscht am Fenster, sondern getrennt voneinander im Gang, aber immerhin startbereit. Eineinhalb Stunden hoffen sie, bis Moreike zufolge letztlich ein Techniker einen Triebwerkschaden diagnostiziert, das Flugzeug geräumt und die Passagiere zurück ins Terminal gebracht werden. Einen halben Urlaubstag verbringen Moreikes am Flughafen Tegel und nicht wie geplant in Verona. „Natürlich mussten wir wieder unser Gepäck in Empfang nehmen und neu aufgeben“, schildert der Ahrensfelder dem Air-Berlin-Manager Hans-Joachim Körber in einem Brief. Als das Paar sein Ziel Mailand kurz vor Mitternacht, das Hotel um 2 Uhr morgens erreicht und dort erschöpft ins Bett fällt, ahnt keiner von beiden, dass der Rückflug genauso anstrengend sein würde.
Nach sieben erholsamen Tagen ist es wieder ein Air-Berlin-Flug, der am Mailänder Flughafen gestrichen wird. Die Nacht verbringen die Passagiere zwar auf Kosten der Airline in einem 5-Sterne-Hotel inklusive eines bescheidenen Abendessens, aber nach dreieinhalb Stunden Schlaf ist die Nacht zu Ende, obwohl auch der am Abend zuvor umgebuchte Flug zurück nach Berlin mit fast drei Stunden Verspätung Mailand verlässt. Glück im Unglück: Alla und Hartmut Moreike gehören wenigstens zu den sechs Passagieren, die den ersten Flug nach Berlin nehmen können. Die anderen Fluggäste können zwar länger schlafen, müssen aber auf dem Weg nach Berlin mit einer Zwischenlandung in Helsinki vorlieb nehmen.
„Mein Eindruck: Wenn die Flugzeuge nicht richtig ausgelastet sind, werden Flüge einfach gestrichen“, sagt Globetrotter Moreike, der bis dahin ganz gute Erfahrungen mit Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft gemacht hatte und jetzt von Air Berlin 250 Euro erstattet haben möchte. „Wir haben uns als Ballast, nicht als Fluggäste gefühlt“, klagt er. Dass Air Berlin seit Monaten Probleme hat, vor allem am Flughafen Tegel, ist auch dem Vielflieger bekannt. Der Imageschaden für die Gesellschaft, befürchtet Moreike, sei viel größer als die materiellen Verluste, die im vergangenen Jahr rund 781 Millionen Euro betragen haben.
Air Berlin selbst prüft jetzt die Pannen der Moreikes auf dem Weg nach Italien und zurück, schließt jedoch nicht aus, dass dies mit den seit Wochen anhaltenden Abfertigungsproblemen in Tegel zusammenhängt. Air Berlin hatte mit Beginn des Sommerflugplans Ende März den Bodendienstleister gewechselt, was nach wie vor zu langen Wartezeiten bei der Gepäckabfertigung und dadurch zu Verspätungen führt. Eve Büchner vom internationalen Dienstleister für Fluggastrechte refund.me spricht von einem blanken Chaos bei Air Berlin und Alitalia. „Bis zu fünf Tage Verspätungen, Gepäckverluste und hilflose Mitarbeiter verdeutlichen die schwierige Situation“, betont sie. Die italienische Partner-Airline Alitalia löst sich möglicherweise ohnehin in Luft auf. Am Dienstag sind die Vorbereitungen für eine Insolvenz gestartet worden. Hartmut Moreike verwundert das nicht. Die defekte Alitalia-Maschine, die den Start in Tegel verzögerte, sei rein optisch in einem erbärmlichen Zustand gewesen, sagt er. Auf dem Rückflug von Mailand habe sich das Bordpersonal nach der Sicherheitseinweisung bis zur Landung zurückgezogen. Snacks, Kaffee, Tomatensaft – Fehlanzeige. „Meine Frau hatte ein ganz schlechtes Gefühl und wollte wieder aussteigen“, erzählt der Ahrensfelder. In diesem Monat geht es für beide zu einem Kuraufenthalt ins tschechische Karlsbad – ganz bodenständig, ohne Flug.