Bundesverfassungsgericht Karlsruhe kippt Brandenburger Kommunalabgabengesetz
Für Brandenburgs Altanschließer könnte es ein vorgezogenes Weihnachtsfest geben. Das Karlsruher Bundesverfassungsgericht entschied gestern im Fall zweier Cottbuserinnen, dass die 2004 von der damaligen schwarz-roten Koalition vorgenommene Novelle des Kommunalabgabengesetzes gegen das Grundgesetz verstieß. „Nach der vor dem 1. Februar 2004 gültigen Fassung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg hätte von den Beschwerdeführerinnen kein Beitrag mehr erhoben werden können“, erklärte das Bundesverfassungsgericht. „Die Anwendung einer seit dem 1. Februar 2004 gültigen Neufassung entfaltet bei ihnen daher eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.“
Altanschließerverbände, wie der Dachverband „Das Wassernetz Brandenburg“, begrüßten das Urteil des Gerichts. „Der Glaube der Betroffenen an die Rechtsstaatlichkeit ist wiederhergestellt“, sagte Thomas Kaiser vom Wassernetz. „Wir fordern nunmehr eine sofortige Aussetzung der Bescheidung zu Erschließungsbescheiden, die sofortige Aussetzung der Vollziehung der erlassenen Beitragsbescheide und die sofortige Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge.“
Die Potsdamer Landespolitik reagierte dagegen geschockt. Auf den Fluren des Parlaments war gestern von einer Summe von bis zu 500 Millionen Euro die Rede, die das Urteil die Zweckverbände kosten könnte. Auch die Insolvenz einzelner Verbände und die Übernahme der damit verbundenen Kosten durch Kommunen und Land wurde von einigen Abgeordneten nicht ausgeschlossen. Die offiziellen Stellungnahmen bemühten sich dagegen um Zurückhaltung. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) kündigte eine sorgfältige Prüfung des Gerichtsurteils an.
Deutlicher wurde der CDU-Kommunalexperte Sven Petke. „Das ist ein weitreichender Einschnitt“, sagte Petke im Landtagsplenum. „Es ist eine ernste Situation entstanden.“ Das Urteil aus Karlsruhe könne weitreichende materielle Auswirkungen haben. „Wir müssen darüber sprechen, wie wir mit den möglichen finanziellen Belastungen für die Verbände umgehen.“
Die Linkspartei, die sich 2004 noch in der Opposition befand, erklärte, mit dem Urteil verbinde sich die Chance, in einem heftig umstrittenen Themenfeld „endlich Rechtssicherheit“ zu schaffen. Ähnlich äußerten sich die Brandenburgischen Vereinigten Bürgerbewegungen und die Freien Wähler (BVB/Freie Wähler) sowie die nicht mehr im Parlament vertretene FDP. „Die heute veröffentliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein historischer Meilenstein in der Wiederherstellung rechtsstaatlicher Strukturen im Bereich der Abwasserbeitragserhebung im Land Brandenburg“, sagte Peter Vida von den Freien Wählern. „Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muss endlich den Startpunkt für eine faire, gerechte Abgabenstruktur im Land Brandenburg bedeuten.“ Der stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Hans-Peter Goetz sprach von einem „großartigen“ Urteil, das man hätte verhindern können, wenn man in der letzten Legislaturperiode den Positionen der Liberalen gefolgt wäre.