Auf der Suche nach weiterer Zukunft des ehemaligen Kasernenkomplex. Bislang ist er ein neues Zuhause für 2500 Menschen.
Der Besucher sieht plötzlich Licht im Moskauer Kreml. Es ist ein Wandbild mit Sehenswürdigkeiten der russischen Hauptstadt, für das im brandenburgischen Wünsdorf jetzt noch einmal eine Lampe angeknipst wurde: Gut 20 Jahre nach dem Abzug der russischen Streitkräfte aus Wünsdorf südlich von Berlin wird für das ehemalige Militärobjekt weiter eine Zukunft gesucht.
Bislang haben etwa 2500 Menschen in sanierten ehemaligen Kasernen ein neues Zuhause gefunden. Es könnten aber mehr werden, ist sich Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) sicher. „Angesichts steigender Mieten in Berlin und der anhaltend niedrigen Bauzinsen ist Wünsdorf ein interessanter Wohnungsstandort“, sagt er gestern. Innerhalb von 45 Minuten werde mit der Regionalbahn der Berliner Alexanderplatz erreicht. Seit 2013 steige die Nachfrage, Investoren interessierten sich für Flächen zum Bau von Eigenheimen. „Die Erschließung des 537 Hektar großen Areals ist aber eine Generationsaufgabe“, sagt Görke.
Seit 1913 residierte in Wünsdorf Militär: Die ersten waren kaiserliche Truppen, dann kam von 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkriege das Oberkommando des deutschen Heeres. Ab 1953 war der Ort Sitz des Oberkommandos der sowjetischen Truppen in Deutschland. In der für DDR-Bürger „Verbotenen Stadt“ lebten nach Schätzungen 30 000 bis 40 000 Militärs und ihre Familien.
Nach dem Abzug 1994 versanken die Gebäude im Dornröschenschlaf: Nur notdürftige Reparaturen werden ausgeführt, um den Verfall aufzuhalten. Der morbide Charme lockt immer wieder Fotografen an.
Mutwillige Zerstörungen halten sich glücklicherweise in Grenzen. 206 Hektar werden bereits zivil genutzt, wie Birgit Flügge, Geschäftsführerin der Entwicklungsgesellschaft Wünsdorf-Zehrensdorf, sagt. Die Einrichtung gehört fast zu 100 Prozent der Landesentwicklungsgesellschaft. Doch es stehen noch eine Reihe von Gebäuden leer, meist als Denkmale geschützt und mit hohem Sanierungsbedarf. „Wir brauchen Wohnraum für junge Brandenburger Familien“, betont Görke.
Leer steht beispielsweise das ehemalige Haus der Offiziere; im Saal sind rund 600 rote Stoffsessel zu bewundern. Unklar ist, was mit einem anderen Bau wird: Die Idee eines Investors für einen Supermarkt für die künftigen Bewohner steht noch ganz am Anfang.
In einer Sporthalle ist ein 23 Meter langes Schwimmbecken verwaist. Ob dort jemals wieder Bahnen gezogen werden? Die Höhe der Kosten wagt niemand zu nennen. Nur ein Fachmann erkennt später den Zweck eines gemauerten Quaders in einem Raum: Es war der Ofen einer russischen Sauna.
Brandenburg plante einst in Wünsdorf eine Beamtenstadt. Mittlerweile gibt es dort Behörden - aber nicht in der einst erwarteten Dimension.
Dafür haben sich vier Antiquariate angesiedelt. Noch vorhandene Bunker sind heute Touristenmagneten.
Nach dem Abzug der russischen Streitkräfte erhielten die neuen Bundesländer rund 290 000 Hektar Liegenschaften. An Brandenburg ging der Großteil mit 100 000 Hektar. Heute werden im Land bereits 90 Prozent zivil genutzt. Der Verkauf brachte rund 305 Millionen Euro ein. Im Gegenzug gab es Verpflichtungen für Investitionen in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Eingelöst wurden bereits 850 Millionen Euro.
Wann wird auch das letzte Militärgebäude auf dem Wünsdorfer Areal genutzt? „Es wird noch einige Jahre dauern“, will sich Görke nicht weiter festlegen. Bis dahin bleiben die Lichter in vielen Bauten weiter aus.