Unternehmen beklagen Erpressungsversuche durch Hacker. Spezialisten der Polizei kämpfen dagegen an.
Zunehmend werden auch kleine Unternehmen und Behörden von Hackern angegriffen. Sie schleusen verschlüsselte Trojaner in Computernetzwerke und versuchen Geld zu erpressen. Eine Spezialeinheit beim Landeskriminalamt steuert dagegen.
Als die Sekretärin des Bürgermeisters ihren Computer anschaltete, passierte es. Das Rattern der Festplatten stockte, zwei Nachrichten tauchten auf dem Bildschirm auf. Darin die unmissverständliche Botschaft der Erpresser: „Sie haben einen Crypto-Virus, wir verschlüsseln ihre Daten.“ Den Schlüssel, so der Hinweis der Hacker, gebe es nur gegen Geld.
Es dauerte vier Tage, bis die verseuchten Computer im Rathaus der Gemeinde Milower Land (Havelland) gereinigt waren und der Verwaltungsapparat wieder funktionierte. Dabei hatte die Sekretärin einen Totalschaden verhindert, indem sie ihre Kollegen schnell vor dem Virus warnte. Auf die Forderung der Hacker ließ sich Bürgermeister Felix Menzel (SPD) nicht ein.
Dieser Fall aus dem vergangenen Dezember gehört für Denny Speckhahn zum Alltag. Der Ermittler leitet eine Spezialeinheit beim Landeskriminalamt, die sich mit kriminellen Auswüchsen im Internet beschäftigt. 60 „Cybercops“ nehmen in dem schmucklosen Bürogebäude den Kampf mit Hackern, Betrügern und Pädophilen in der virtuellen Welt auf.
Vor allem die massive Ausbreitung der Verschlüsselungstrojaner, auch Ransomware genannt, stellt die polizeilichen Computerexperten vor große Herausforderungen. „Ziel der Hacker sind momentan vor allem Unternehmen“, sagt Speckhahn. „Die Betroffenen fühlen sich hilflos, da die Programme sehr schwer zu knacken sind.“ Und so kommt es, dass viele Geschädigte auf Geldforderungen eingehen, um die eigenen Daten zu retten. Oft werden ein paar hundert Euro verlangt, mitunter auch vierstellige Summen. Mitunter werden Firmen in die Insolvenz getrieben. So war ein Autohaus im Havelland nicht auf die Forderungen eingegangen, sämtliche Daten gingen verloren. „Ein besonders tragisches Beispiel“, sagt Speckhahn.
240 Fälle wurden im vergangenen Jahr in Brandenburg erfasst, bei denen Kriminelle versucht hatten, mittels Schadsoftware ein Lösegeld zu erpressen. 2015 waren es 180 Fälle. Speckhahn spricht von einer Spitze des Eisbergs. „Wir gehen von einer riesigen Dunkelziffer aus.“
Zwar existieren nach seinen Kenntnissen noch keine Hackergruppierungen in der Mark, dennoch sind bereits Brandenburger als Mitglied von internationalen Organisationen ermittelt worden. So nahm die Polizei im vergangenen Jahr einen 40-jährigen Familienvater in Woltersdorf (Oder-Spree) fest, der sich vom Homeoffice aus an Cyber-Attacken beteiligte. Die insgesamt 14 Täter verbreiteten massenhaft Viren, um die Kontrolle über fremde PCs zu erlangen – mit dem Ziel, Bankdaten und Passwörter zu erbeuten. Die Polizei schätzt den Schaden in Deutschland auf sechs Millionen Euro.
Diese grenzenlosen Angriffe können die Brandenburger Ermittler nicht verhindern. Sie können aber über Aufklärungsarbeit die Folgen abmildern. So wurde eine Zentrale Ansprechstelle Cybercrime eingerichtet, an die sich Firmen oder Behörden wenden können. Zudem organisiert das LKA viele Fortbildungen in Wirtschaftsverbänden. „Wer die Grundregeln einhält, kann die Gefahr deutlich reduzieren“, sagt der 39-jährige Kriminalhauptkommissar.
Speckhahn empfiehlt, die Aktualisierungen von Programmen nie zu vernachlässigen. Bei unaufgeforderten E-Mails sollte nicht auf Anhänge geklickt werden. Außerdem sollten sensible Daten besonders geschützt werden.
Trotz der Warnungen erlebt auch Thomas Herschelmann, dass Unternehmer den Schutz der Infrastruktur vernachlässigen. „Wir registrieren eine Welle von Hackerattacken“, sagt der Vorsitzende des Arbeitskreises Unternehmenssicherheit Brandenburg. „Und das Schlimme: Die Erfolgsaussichten sind gut für die Kriminellen. Die Polizei kommt kaum hinterher.“
Herschelmann befürchtet, dass künftig auch Industrieunternehmen zum Ziel von Hackern werden. „Wenn Maschinen aus der Ferne gewartet werden, sind sie auch angreifbar. Auf diese Weise könnte die gesamte Produktion lahmgelegt werden“, sagt er.