Bei Mario Gohmert kommen die unterirdisch wachsenden Pilze nicht in die Pfanne, sondern sie werden untersucht und konserviert
Allerdings ist Gohmert kein Sammler. Er gehört seit dem Frühjahr 2015 zur privaten Forschungsgruppe Hypogän, in der 54 Pilzkenner deutschlandweit die natürlichen Vorkommen von Trüffeln untersuchen und kartieren. „Wir erfassen die ökologischen Daten von Fundstellen, bestimmen die Trüffeln mikro- und makroskopisch“, sagt der Leiter der Gruppe, Dieter J. Honstraß aus Salzgitter, der sich als „Pilz-Papst“ in der Bundesrepublik einen Namen gemacht hat.
Nach seinen Worten machen Trüffeln fünf Prozent der in Deutschland vorkommenden Großpilzarten aus. Mehr als 100 Arten habe Hypogän deutschlandweit bereits entdeckt, berichtet Honstraß. 14 davon fand Gohmert allein in Ostbrandenburg. Die Erkenntnisse der Forschungsgruppe fließen in die digitale Hypogän-Datenbank.
Trüffeln sind nicht leicht zu finden, da sie unterirdisch wachsen. „Das ist schon ein bisschen so wie Schatzsuche“, sagt Gohmert. Er hat inzwischen seinen italienischen Wasserhund „Charly“ auf diese besondere Pilzart trainiert, die einen markanten Geruch verströmt.
Der Vierbeiner soll seinem „Herrchen“ künftig helfen.
Für seine Untersuchungen hat der Familienvater vom Brandenburger Landesumweltamt eine Ausnahmegenehmigung für die Landkreise Barnim und Märkisch-Oderland erhalten. Denn für alle Arten der Gattung Tuber ist das Sammeln aufgrund ihrer vermuteten Seltenheit strengstens verboten, wie Andreas Stein vom Landesumweltamt bestätigt. Seine Behörde sei interessiert an Gohmerts Forschungsergebnissen. „Über die Verbreitung von Trüffeln ist nur wenig bekannt, darum hat sich nie jemand so richtig gekümmert“, sagt Stein.
Pro Fundstelle darf Gohmert aus Artenschutzgründen lediglich zwei Trüffeln entnehmen. Und die kommen eben nicht in die Pfanne, sondern werden in Dosen mit Spiritus eingelegt. „Von den im Land Brandenburg bisher entdeckten Arten sind ohnehin nur zwei essbar“, stellt der hauptberufliche Aufzugsmonteur aus Bernau klar. Gohmert hat schon Trüffeln gegessen, aber den Hype vieler Gourmets um diesen Pilz kann er nicht teilen: „Da sind Morcheln weitaus schmackhafter.“ Die genaue Bestimmung von Trüffeln sei oftmals nur unter dem Mikroskop möglich, erläutert Gohmert, der schon seit seiner Kindheit „pilzverrückt“ ist, wie er berichtet. „Meine Mutter hat erzählt, dass ich schon als Dreikäsehoch die giftigen Pilze stets im Wald gelassen habe.“
Inzwischen kennt der 45-Jährige rund 350 Pilzarten, weiß bei Vergiftungen, wie die Symptome aussehen und wie lange die Latenzzeit ist. Er veranstaltet regelmäßig Lehrwanderungen durch Pilzwälder, bei denen er erklärt, woran giftige Doppelgänger von essbaren Exemplaren zu unterscheiden sind. Und er arbeitet ehrenamtlich für den Berliner Giftnotruf. „Pilzzeit ist das ganze Jahr über“, sagt der Sachverständige.
Trüffeln aber wachsen vornehmlich in den frostfreien Monaten. An feuchten, regnerischen Tagen sind sie aufgrund des teils stechenden Geruchs sogar für den Menschen zu riechen, erläutert der Bernauer. Sogar in seinem eigenen Garten hat er diese unterirdischen Pilze schon entdeckt.
Quasi ausgewachsen seien Trüffelknollen nach etwa einem Dreivierteljahr, sagt Gohmert und hält ein faustgroßes, eingelegtes Exemplar hoch. „Die Art habe ich auch schon in Brandenburg gefunden, allerdings nicht in dieser Größe“, muss er zugeben. Sein Ansichtsexemplar ist eine Leihgabe aus Nordrhein-Westfalen.
Dass er in Rüdersdorf fündig wurde, ist für den Pilzexperten nicht verwunderlich. Die Region ist vom Kalkstein-Abbau geprägt. Also müssten Kalk liebende Trüffeln zu finden sein. Da die unterirdisch wachsende Pilzfamilie in der Regel Symbiosen vorzugsweise mit Linden oder Buchen eingehe, die in der Umgebung der Rüdersdorfer Kirche wachsen, war auch das ein Indiz. „Der Schatten der Kirche ist optimal, zudem die Regenwasserversorgung von den Traufen des Kirchendaches“, fasst der Trüffelforscher zusammen, was ihn auf die richtige Spur brachte.